Calcium – mengenmäßig im Körper das wichtigste Mineral für uns, und doch bekommt es nicht immer die Beachtung, die es eigentlich verdient hätte. Calcium ist unser Zahn- und Knochenmineral, aber es dient auch als essentieller Botenstoff bei der Reizübertragung in unseren (Muskel-)Zellen und stabilisiert unsere Zellwände [1]. Was Calcium noch alles kann und wann es ergänzt werden sollte erfährst Du in diesem Artikel.
Wofür brauchen wir Calcium?
Etwa 1 kg des Minerals befindet sich in unserem Körper. Der Hauptspeicherort ist unser Skelettsystem sowie unsere Zähne, was verdeutlicht, wie sehr diese Strukturen auf Calcium angewiesen sind. Wir benötigen es vor allem für die Mineralisierung des Knochengewebes und unserer Zähne sowie für die Bewegungsfähigkeit unserer Muskeln, da Calcium ein wichtiger Botenstoff bei der elektromechanischen Reizübertragung in der Zelle ist. Dies betrifft jedoch nicht nur Muskelzellen, sondern auch Nervenzellen, denn wenn ein Aktionspotential die Nervenzelle erreicht, initiiert dieses einen Calciumeinstrom in die Zelle, wodurch wiederum Neurotransmitter in den synaptischen Spalt ausgeschüttet werden. So kann der Nervenreiz weitergeleitet werden. Calcium ist also an vielen Orten essentiell für unsere grundlegenden, neurologischen Funktionen. Calcium aktiviert darüber hinaus auch das Blutgerinnungssystem durch Komplexbildung mit Phospholipiden und Gerinnungsfaktoren und wirkt im Hormonsystem, z. B. bei der Ausschüttung von Insulin im Pankreas. Auch für unseren Darm spielt Calcium eine nicht unerhebliche Rolle, da es allgemein für die Entwicklung und Reifung unserer Schleimhautzellen benötigt wird. [2, 3]
Calciumstoffwechsel
Der Calciumstoffwechsel wird maßgeblich durch drei Hormone gesteuert und bewegt sich in einem sehr engen Toleranzbereich:
- Calcitriol (aktiviertes Vitamin D)
- Parathormon
- Calcitonin
Vitamin D wird benötigt, damit Calcium aus der Nahrung im Darm aufgenommen und in den Knochen gespeichert werden kann. Parathormon aus der Nebenschilddrüse wird ausgeschüttet, wenn ein “zu wenig” an Calcium im Blut zirkuliert. Durch den erhöhten Spiegel an Parathormon wird dann die Ausscheidung von Calcium über die Nieren gehemmt und gleichzeitig die Aufnahme von Calcium aus der Nahrung im Darm gefördert. Allerdings sorgt es auch dafür, dass Calcium durch Osteoklasten aus der Knochensubstanz gelöst wird, um das sensible Gleichgewicht im Blut wiederherzustellen, welches für den Körper oberste Priorität hat. [2]
Calcitonin hingegen bedient die andere Seite des Regelkreises: es sorgt dafür, dass Calcium in den Knochen eingebaut und dort gespeichert wird, wenn ein Überschuss im Blut vorliegt. Außerdem fördert es die Calciumausscheidung über die Niere. [4]
Osteoporose
Bei lange bestehendem Calciummangel wird immer mehr Calcium aus dem Knochen mobilisiert, sodass die Knochen nach und nach an Dichte verlieren und instabiler werden (Osteopenie). Dieser Verlust der Knochensubstanz führt über längere Zeit zu einem deutlich erhöhten Frakturrisiko. Dann spricht man vom Krankheitsbild der Osteoporose. Zur Vorbeugung sollte insbesondere bei Frauen nicht nur auf eine ausreichende Versorgung mit Calcium geachtet werden, sondern vor allem auch auf ausreichend Bewegung. Denn durch Bewegungsreize wird Calcium nicht nur im Knochen gespeichert, sondern auch die Knochenneubildung angeregt. [2, 4]
Auch eine adäquate Versorgung mit Vitamin D und Magnesium ist ausschlaggebend für den Erhalt der Knochenstabilität [5]. Außerdem wird vermutet, dass eine Ernährung mit viel Obst und Gemüse ein basisches Milieu im Körper unterstützt [6], wodurch weniger Calcium ausgeschieden wird (da Calcium besonders gut in saurem Milieu löslich ist).
Versorgungslage
Laut Nationaler Verzehrsstudie werden die D-A-CH-Referenzwerte für Calcium von 41 % der Männer und knapp 49 % der Frauen zwischen 35-50 Jahren nicht erreicht. Jenseits der 65 sowie im jungen Erwachsenenalter wird diese Diskrepanz noch deutlicher. Sowohl bei weiblichen als auch männlichen Heranwachsenden ist auffällig, dass die Hälfte (weiblich) bzw. Dreiviertel (männlich) die Referenzwerte nicht erreicht. Dies ist mit Sorge zu betrachten, da die Zeit bis zum Erreichen des 25. Lebensjahres entscheidend ist für den Aufbau einer möglichst hohen Knochendichte (Peak Bone Mass), die das “Kapital” für die spätere Knochengesundheit darstellt und das Osteoporoserisiko maßgeblich beeinflusst. [7]
Zu viel und zu wenig Calcium
Die schwerwiegendste Folge eines langfristigen Calciummangels ist die Knochenentkalkung, Verminderung der Knochendichte und das damit einhergehendes Frakturrisiko. Darüber hinaus hat ein Defizit an Calcium zur Folge, dass Nervensystem und Muskulatur eine höhere Erregbarkeit aufweisen, was sich z.B. in Muskelkrämpfen äußern kann. Müdigkeit, erhöhte Blutungsneigung, Parodontose und Herzrhythmusstörungen können weitere Mangelsymptome sein. Ein Mangel kann entstehen durch eine zu geringe Aufnahme über die Ernährung, durch Störungen der Aufnahme z.B. durch geringe Magensäureproduktion (Calcium löst sich in Säure besser), Störungen des Darmmilieus, chronische Darmerkrankungen, Vitamin D-Mangel, zu geringe körperliche Aktivität sowie durch hormonelle Veränderungen in der Menopause. [2-4]
Hingegen kann ein Zuviel an Calcium – längerfristig mehr als 2500 mg pro Tag – zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko führen, u.a. durch den Einfluss von Calcium auf die Blutgerinnung (pro-thrombotische Wirkung). [8]
Wie viel Calcium benötigen wir?
Die DGE empfiehlt verschiedene tägliche Zufuhrmengen, die altersabhängig sind: Erwachsene benötigen etwa 1000 mg Calcium am Tag, während Heranwachsende zwischen 13 und 18 Jahren mit 1200 mg einen höheren Bedarf haben. [9]
Tabelle 1: Referenzwerte der DGE für Calcium [9]
Alter | mg / Tag |
---|---|
15 – 19 Jahre | 1200 |
19- 65 Jahre | 1000 |
Schwangere und Stillende | 1000 |
Calcium in der Ernährung
Milchprodukte sind besonders bekannt als gute Calciumlieferanten. Milch und Joghurt sowie (Hart-)Käse sind hier die Spitzenreiter. Quark hingegen ist nicht empfehlenswert, da er zwar sehr eiweißreich ist, das Calcium jedoch während des Herstellungsprozesses verloren geht. Grünes Blattgemüse kann ebenfalls wertvolles Calcium liefern, z.B. Rucola, Brokkoli oder Grünkohl. Hier ist die Bioverfügbarkeit des enthaltenen Calciums zudem sehr gut. [10]
Gemüse wie Spinat oder Mangold ist zwar auch reich an Calcium, gleichzeitig enthalten diese Sorten jedoch auch viel Oxalsäure, welche die Aufnahme von Calcium im Darm behindert. [4]
Tabelle 2: Calciumgehalt in Lebensmitteln [4]
Nahrungsmittel | Portionseinheit | mg Calcium |
---|---|---|
Tilsiter, 30 % Fett i. Tr. | 100 g | 830 |
Ölsardinen | 100 g | 354 |
Sojabohnen, getrocknet | 100 g | 260 |
Grünkohl | 100 g | 212 |
Rucola | 100 g | 160 |
Joghurt, natur, 1,5 % Fett | 180 g | 205 |
Vollmilch | 100 ml | 120 |
Brokkoli | 100 g | 105 |
Mineralwasser je nach Sorte | 1000 ml | 300 – 650 |
Auch Mineralwasser kann eine gute Calciumquelle darstellen, wenn es mehr als 150 mg Calcium pro Liter enthält. Sorten wie Steinsieker oder Gerolsteiner enthalten sogar mehr als 300 mg Calcium pro Liter [11].
Leitungswasser enthält je nach Region ebenfalls verhältnismäßig viel Calcium. Im Raum Köln [12] München [13] und Norddeutschland [14] ist das Wasser regional mit 80- 110 mg pro Liter ebenfalls mittel- bis stark calciumreich.
Laut Nationaler Verzehrsstudie nehmen die Deutschen den größten Anteil Calcium über Milchprodukte und Käse auf (40 %) sowie alkoholfreie Getränke, wie z.B. Leitungs- oder Mineralwasser (20-30 %). Andere Lebensmittel spielen keine maßgebliche Rolle. [7]
Labordiagnostik
Da 99 % des gesamten Calciums im Körper in Knochen und Zähnen gespeichert wird und nur ein ganz kleiner Teil im Blut zirkuliert, ist eine Serumanalyse keine geeignete Methode um den tatsächlichen Calciumstatus zu erheben. Selbst bei nachgewiesener Osteoporose ist der Calciumwert im Serum unauffällig. Daher sollte alternativ eine Knochendichtemessung durchgeführt werden. Schmiedel Zusätzlich können 25(OH)-Vitamin D und Parathormon, sowie die knochenspezifische alkalische Phosphatase und der Knochenabbauparameter Pyridinium-cross links erhoben werden. [3]
Ein Ernährungsprotokoll ist eine kostengünstige und sinnvolle Methode, um abzuschätzen, wie viel Calcium in der eigenen Ernährung schon enthalten ist und ein Gefühl für die eigene Versorgung und Notwendigkeit für eine eventuelle Ergänzung zu bekommen.
Supplementierung
Bei einem gesunden Erwachsenen kann bei bedachter Ernährungsweise die empfohlene Zufuhr im Mittel einigermaßen leicht erreicht werden. Ist dies nicht möglich, z.B. bei Laktoseintoleranz, veganer und/oder pflanzenarmer Ernährung oder anderen Einschränkungen sollte eine Supplementierung in Erwägung gezogen werden. Auch bei einigen Indikationen kann eine zusätzliche Calciumzufuhr positiv sein.
Allergie und Neurodermitis
Calcium kann einen antiallergischen Effekt bewirken, da es die Zellmembran stabilisiert. Genauer: höhere Mengen Calcium bewirken in der Zelle, dass der Anteil an zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) steigt. Dieses wiederum ist an der hormonellen Regulation des Zellstoffwechsels beteiligt. Dadurch kann die allergische Reaktion schnell unterdrückt werden. Calcium kann in Kombination mit Magnesium, Zink und Vitamin D auch bei Neurodermitis wirksam sein. [4]
ADHS und Verhaltensstörungen
Menschen, die zur Hyperaktivität neigen, zeigen einen signifikant erniedrigten Calcium- und Magnesiumspiegel. Eine Supplementierung beider Nährstoffe kann innerhalb weniger Wochen zu Besserungen führen. [4]
Schwangerschaft
Eine ausreichende Versorgung mit Calcium kann das Risiko für Präeklampsie vermindern und das Geburtsgewicht verbessern. [4]
Auswahl des Supplements
Organische Calciumverbindungen wie Calciumcitrat oder -lactat weisen eine höhere Bioverfügbarkeit auf als anorganische Verbindungen (z.B. Calciumcarbonat). Gerade bei Menschen über 60, bei denen die Magensäureproduktion ggf. eingeschränkt ist, eignen sich organische Verbindungen besonders gut. Sie benötigen nämlich durch den bereits enthaltenen Säureanteil weniger Säure von außen, um ausreichend gelöst zu werden. Calciumcarbonat weist im Gegensatz zu organischen Verbindungen zwar einen höheren Gehalt an elementarem Calcium auf, jedoch ist dieses schwer resorbierbar und führt eher zu gastrointestinalen Nebenwirkungen. [3]
Einnahme
Pro Tag sollte eine Zufuhr von 500 – 1000 mg nicht überschritten werden, es sei denn dies ist therapeutisch indiziert.
Der Darm kann pro Zeiteinheit nur eine gewisse Menge an Calcium resorbieren. Daher wird es am besten aufgenommen, wenn es in mehreren kleinen Dosen von nicht mehr als 300 mg pro Einnahmezeitpunkt über den Tag verteilt eingenommen wird. Außerdem ist die Resorption optimal, wenn es zwischen den Mahlzeiten und nicht zusammen mit anderen Mineralien wie Zink oder Magnesium eingenommen wird.
Kombination mit anderen Nährstoffen
Vitamin D sorgt dafür, dass mehr Calcium im Darm aus der Nahrung aufgenommen wird, während organische Säuren wie z.B. Zitronensäure die Löslichkeit von Calcium erhöhen und dadurch auch die Bioverfügbarkeit steigern. Magnesium und Calcium sollten nicht in höheren Mengen (< 100 mg ) zum gleichen Zeitpunkt eingenommen werden, da sie die gleichen Transportenzyme nutzen und dann darum konkurrieren. Dies resultiert dann in einer schlechteren Verwertung beider Nährstoffe.
Andere Stoffe, die die Aufnahme von Calcium behindern sind Oxalat (z.B. aus roter Bete, Kakao, Spinat) und Phytate (aus rohem Getreide und Hülsenfrüchten). Der Phytatgehalt kann jedoch durch Einweichen, Keimen oder Fermentieren reduziert werden. [15]
[1] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2024). Ausgewählte Fragen und Antworten zu Calcium. https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/faq/calcium/ Zugriff am 17.06.25
[2] Schmiedel, V. (2019). Nährstofftherapie – Orthomolekulare Medizin in Prävention, Diagnostik und Therapie (4. Auflage). Stuttgart: Georg Thieme Verlag
[3] Gröber, U. (2011). Mikronährstoffe: Metabolic Tuning, Prävention, Therapie (3. Auflage). Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart.
[4] Burgerstein (2012). Handbuch Nährstoffe (12. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage). TRIAS Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart.
[5] Aloia J et al. (2014). Vitamin D supplementation increases calcium absorption without a threshold effect. Am J Clin Nutr. 2014 Mar;99(3):624-31. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24335055/
[6] Kitchin B & Morgan, S.L. (2007). Not just calcium and vitamin D: Other nutritional considerations in osteoporosis. Current Rheumatology Reports. 9 (1), 85–92. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17437673/
[7] Max Rubner-Institut & Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (2008). Nationale Verzehrs Studie II Ergebnisbericht, Teil 2. Zugriff am 17.06.25
[8] Bolland, M.J et al. (2010). Effect of calcium supplements on risk of myocardial infarction and cardiovascular events: meta-analysis. BMJ, 341, c3691. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20671013/
[9] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2013). Calcium. https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/calcium/ Zugriff am 17.06.25
[10] Weaver, C M & Plawecki, K L (1994). Dietary calcium: adequacy of a vegetarian diet. Am J Clin Nutr. 1994 May;59(5 Suppl):1238S-1241S. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8172128/
[11] Osteoporose Selbsthilfegruppen Dachverband e. V. Mineralwasser mit viel Calcium. Zugriff am 17.06.25. https://www.osd-ev.org/application/files/7817/3711/6246/mineralwasser_mit_viel_Calcium_Tabelle.pdf
[12] RheinEnergie AG. (2025). Trinkwasseranalyse Köln linksrheinisch und Pulheim. RheinEnergie AG. https://www.rheinenergie.com/media/documents/trinkwasseranalyse/Trinkwasseranalyse_Linksrheinisch.pdf[vitalhelden.de+9web.cdn.rheinenergie.com+9rheinenergie.com+9] Zugriff am 17.06.25
[13] Stadtwerke München GmbH. Münchner Trinkwasser‑Analysewerte. Feb. 2025, SWM. https://www.swm.de/dam/doc/wasser/trinkwasser-analysewerte.pdf?pk_source=magnolia&pk_medium=vanity&pk_content=analysewerte. Zugriff am 17.06.25.
[14] Nordwasser GmbH. Trinkwasseranalyse – Wasserwerk Rostock. 3. März 2025, Nordwasser GmbH. https://www.nordwasser.de/trinkwasser/versorgung/trinkwasseranalyse-ww-rostock-1. Zugriff am 17.06.25.
[15] Gupta, RK et al. (2015). Reduction of phytic acid and enhancement of bioavailable micronutrients in food grains. Journal of Food Science and Technology, 52 (2), 676–684. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC4325021/