Passend zum Namen denken die meisten bei Vitamin A wohl zuerst an unsere Augen – und in dieser Eselsbrücke steckt tatsächlich auch viel Wahrheit! Vitamin A trägt nämlich dazu bei, dass Lichtenergie in neuronale Informationen umgewandelt wird und ist daher essentiell für unsere Sehkraft. [1]
Neben der Wirkung auf unser Sehvermögen hat Vitamin A jedoch auch noch andere wichtige Aufgaben: zum Beispiel wird es im Eisenstoffwechsel für den Transport und auch den Einbau von Eisen in die Zelle benötigt, ebenso wie bei der Bildung von roten Blutkörperchen. Darüber hinaus spielt es auch eine essentielle Rolle bei der Zellspezialisierung, was insbesondere in der Schwangerschaft wichtig ist. Aber auch ganz grundsätzlich ist Vitamin A für die männliche und weibliche Fruchtbarkeit ein äußerst wichtiger Player. Doch hierzu später mehr. Ein weiterer wichtiger Wirkungsbereich für Vitamin A ist unser Immunsystem – sowohl in Bezug auf die Abwehrkraft unserer (Schleim-)Haut, die als erstes mit Krankheitserregern konfrontiert ist, als auch die Aktivierung von systemischen Abwehrprozessen. Ohne Vitamin A ist unser Immunsystem nicht richtig handlungsfähig. [2, 3]
Das fettlösliche Vitamin hat also eine ganze Reihe von teilweise essentiellen Aufgaben – und trotzdem wird es häufig mit der Warnung vor einem “Zuviel” in Verbindung gebracht, sodass manche Menschen einer Supplementierung eher skeptisch gegenüber stehen. Ist dies berechtigt? Lies selbst.
Formen von Vitamin A
Vitamin A, Provitamin A, beta-Carotin, Retinal, Retinol – bei so vielen verschiedenen Bezeichnungen kann man schon einmal durcheinander kommen. Unter Vitamin A wird nämlich eine ganze Gruppe von verschiedenen Substanzen verstanden:
“Echtes” Vitamin A in seiner bioaktiven Form heißt Retinol. Hierzu zählen auch Esterverbindungen von Retinol, wie z.B. Retinylpalmitat. Retinol und seine Esterverbindungen kommen ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vor, z.B. in Leber. Abbaustufen Retinol (Retinal, Retinsäure) kommen natürlicherweise in unserem Körper vor, denn sie entstehen bei der Verstoffwechselung von Retinol im Darm. [4]
Außerdem gibt es pflanzliche Vorstufen von Vitamin A, diese werden auch Provitamin genannt. Sie spielen eine nicht unerhebliche Rolle für unsere Versorgung. Beta-Carotin zählt zu den wichtigsten Vorstufen von Vitamin A. Diese werden im Körper unterschiedlich effizient zu aktivem Vitamin A umgewandelt (beta Carotin zu ca. 17 % [5]). Zu bedenken ist, dass 70 % der Menschen eine Genmutation haben, die die Umwandlung von beta-Carotin zu Vitamin A verhindert. Dadurch ist die Versorgung über eine rein pflanzliche Kost ohne Supplementierung nicht wirklich zu gewährleisten. Carotinoide wirken als sekundäre Pflanzenstoffe jedoch antioxidativ, auch wenn sie nicht in Vitamin A umgewandelt worden sind. [4, 6]
Versorgungslage
Ein primärer Vitamin A Mangel ist in Deutschland und anderen westlichen Nationen eher selten. Laut Nationaler Verzehrsstudie lagen lediglich 15 % der Männer und 10 % der Frauen bei mischköstlicher Ernährung unterhalb der empfohlenen Zufuhrmenge [7].
Zu einer suboptimalen Versorgung aufgrund von Erkrankungen oder einseitiger Ernährung kann es hingegen durchaus kommen, z.B. durch bestimmte chronische (Darm-)Erkrankungen, eine ausschließlich pflanzliche Kost oder einen erhöhten Bedarf in Schwangerschaft und Stillzeit. [1]
Vitamin A in der Ernährung
Aktives Retinol findet sich ausschließlich in tierischen Lebensmitteln. Besonders reichhaltig ist die Schweineleber, die jedoch mit Bedacht verzehrt werden sollte, denn der Vitamin A von 100 g Schweineleber überschreitet die empfohlene tägliche Zufuhr um das Fünfzigfache. Da sich Vitamin A im Fettgewebe anreichert, kann es bei häufigerem Verzehr daher schnell zu Überdosierungen kommen (Hypervitaminose). Auch in Eiern, Fisch und fettreichen Milchprodukten findet sich Vitamin A, jedoch in moderateren Mengen. Die pflanzliche Vorstufe beta-Carotin kommt als sekundärer Pflanzenstoff besonders in rotem, orangen und gelbem Obst und Gemüse vor, z.B. Möhren, Tomate, Mango, Süßkartoffeln oder Kürbis. Auch dunkelgrünes Gemüse wie Spinat oder Grünkohl enthält beta-Carotin. [4, 6, 8]
Die Verwertung von beta-Carotin in Retinol wird stark vom Zink- und Eisenstatus beeinflusst. Sowohl Retinol als auch beta-Carotin sollten immer mit etwas Fett verzehrt werden, da Vitamin A fettlöslich ist. Die richtige Garmethode hat ebenfalls einen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit. Während beispielsweise nur 3 % des Beta-Carotins in rohen Karotten zugänglich sind, sind es bei gekochten Karotten bereits 27 % und bei gekochten Karotten mit der Zugabe einer Fettquelle ganze 39 %. [9]
Obst und Gemüse sollte zudem schonend und kurz gegart werden, um hohe Verluste durch Licht und Hitze zu vermeiden.
Lebensmittel | µg/100 g Vitamin A bzw. beta-Carotin [6] |
---|---|
Schweineleber | 38856 µg |
Palmfett | 3550 µg |
Möhren | 1637 µg |
Aal | 940 µg |
Eigelb | 919 µg |
Grünkohl | 862 µg |
Honigmelone | 779 µg |
Brie | 403 µg |
Gemüsepaprika | 354 µg |
Gouda | 285 µg |
Feta | 275 µg |
Mozzarella | 226 µg |
Mango | 194 µg |
Kürbis | 97 µg |
Tabelle 1: Vitamin A in Lebensmitteln
Referenzwerte
Bei der Angabe der Einheit ist zu berücksichtigen, dass Retinol in sogenannten Aktivitätsäquivalenten die Unterschiede in der Verstoffwechselung von aktiver Form und Vorstufen von Vitamin A berücksichtigt.
Je nach Lebensphase gelten unterschiedliche Zufuhrempfehlungen [10, 11]:
Alter | Retinol in µg- Aktivitätsäquivalent/Tag Frauen* | Retinol in µg- Aktivitätsäquivalent/Tag Männer* |
---|---|---|
13 – 15 Jahre | 700 | 800 |
15 – 19 Jahre | 800 | 950 |
19 – 65 Jahre | 700 | 850 |
Schwangerschaft | 800 | – |
Stillzeit | 1300 | – |
Tabelle 2: Zufuhrempfehlungen für Vitamin A
*Berechnungsgrundlage: 1 μg Retinolaktivitätsäquivalent (RAE) = 1 μg Retinol = 12 μg β-Carotin = 24 μg andere Provitamin-A-Carotinoide.
1 I.E. Vitamin A = 0,3 μg Retinol
Hinweis: In einigen Nachschlagewerken und Lebensmitteltabellen finden sich auch Angaben in Retinoläquivalenten (retinol equivalent, RE), denen folgende Umwandlungsfaktoren zugrunde liegen: 1 μg RE = 1 μg Retinol = 6 μg β-Carotin = 12 μg andere Provitamin-A-Carotinoide.
Mangelsymptome und erhöhter Bedarf
Aufgrund der vielfältigen Wirkungen von Vitamin A im Organismus sind die Symptome einer Unterversorgung entsprechend vielfältig. Zu den wichtigsten zählen Müdigkeit, Infektanfälligkeit (insbesondere der Atemwege), Blendempfindlichkeit der Augen und Nachtblindheit, gestörter Eisenstoffwechsel, Unfruchtbarkeit, trockene und schuppige Haut, spröde Nägel, Schleimhautschäden (Mund: Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn, Darm: Durchfälle, Resorptionsstörungen) und Schilddrüsenfehlfunktion (insbesondere Schilddrüsenüberfunktion). Risiken für einen Mangel sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen sowie Störungen der Fettverdauung (da Vitamin A nicht mehr ausreichend resorbiert werden kann), rezidivierende Infekte, konsumierende Erkrankungen, Lebererkrankungen, eine vegane Ernährung, chronischer Alkohol- und Nikotinkonsum, Anorexia nervosa und Zinkmangel (Zink ist essentiell für den Vitamin A Stoffwechsel). Ein erhöhter Bedarf an Vitamin A besteht vor allem in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie in der Wachstumsphase bei Kindern und Jugendlichen. [1, 2]
Vitamin A in der Schwangerschaft
Häufig wird mit Vitamin A während einer Schwangerschaft sehr vorsichtig umgegangen. Bei hohen Dosen, z.B. durch Verzehr von extrem Vitamin A-reichen Lebensmitteln ist das auch richtig! Leber sollte beispielsweise in der Schwangerschaft sicherheitshalber nicht verzehrt werden (s. Tabelle 1).
Es gilt aber unbedingt: die Dosis macht das Gift und komplett auf Vitamin A zu verzichten ist genauso nachteilig wie eine zu hohe Zufuhr. Vitamin A ist nämlich essentiell für unseren Körper und wird besonders während einer Schwangerschaft für das Immunsystem, den Eisenstoffwechsel und die Zellspezialisierung benötigt. Während der Schwangerschaft steigt der Bedarf um 40 %, während der Stillzeit sogar um 90 %. [10]
Zu den wichtigen Aufgaben, für die Vitamin A in der Schwangerschaft benötigt wird zählen die Entwicklung der Plazenta sowie die Entwicklung des Embryos (12). Besonders für die Ausbildung des Neuralrohres ist es wichtig [13]. Für die Augenentwicklung wird es natürlich auch benötigt [14], ebenso wie für Ausbildung Entwicklung des kardiovaskulären Systems und des Skeletts [15, 16]. Auch für eine normale Lungenfunktion ist Vitamin A unabdingbar: eine schlechte Versorgung mit Vitamin A in der Schwangerschaft wurde mit einer schlechten Lungenreifung und späterer Asthma-Erkrankung in Verbindung gebracht [17, 18].
Daher sollten sich Schwangere, und insbesondere Stillende, unbedingt um ihre Vitamin A Versorgung kümmern und sich dabei an den offiziellen Referenzwerten orientieren. Für Schwangere liegt dieser bei 800 µg am Tag. Stillenden werden 1.300 µg empfohlen. 3000 µg (10.000 I.E.) pro Tag sollten nicht überschritten werden [1].
Da Vitamin A in seiner aktiven Form ausschließlich in tierischen Produkten vorkommt, ist eine gezielte Nährstoffergänzung bei vegetarischer oder veganer Ernährung besonders wichtig.
Wie kann eine Labordiagnostik aussehen?
Grundsätzlich kann Vitamin A (Retinol) im Blutserum gemessen werden. Die Abnahme sollte nüchtern erfolgen. [1, 4]
Da Vitamin A jedoch zu 90 % in der Leber gespeichert wird und sich nur ein kleiner Teil im Blut befindet, sollte zusätzlich das retinolbindende Protein (RBP) bestimmt werden, welches ein Transportprotein ist und im Plasma sowie im Zytosol vorkommt. Das Verhältnis von Retinol und RBP hilft bei der Einschätzung des Versorgungsstatus. Orale Kontrazeptiva, und Alkoholmissbrauch können den Serumspiegel erhöhen, während Entzündungen und Infektionen einen Abfall des Serumspiegels verursachen. Am besten sollte daher auch c-reaktives Protein bestimmt werden, um die Werte richtig interpretieren zu können. [1]
Supplementierung
Am besten lässt Du Deinen Vitamin A Status bestimmen, bevor Du eine Supplementierung startest. Insbesondere bei der Einnahme von hohen Dosen ist dies unbedingt notwendig und sollte auch immer therapeutisch begleitet werden, da Vitamin A eine sehr schmale therapeutische Breite hat.
Bei der Auswahl eines Produkts kannst Du auf folgende Dinge achten: um eine möglichst gute Bioverfügbarkeit und damit Wirksamkeit zu erreichen, sollte Vitamin A in einer bioaktiven Form vorliegen, z.B. als Esterverbindung von Retinol und Palmitinsäure (Retinylpalmitat) oder Retinol und Essigsäure (Retinylacetat). Diese Verbindungen kommen auch natürlicherweise in tierischen Lebensmitteln vor. Da Vitamin A fettlöslich ist, sollte die Einnahme immer zu oder direkt nach einer Hauptmahlzeit erfolgen.
[1] U Gröber (2011). Mikronährstoffe: Metabolic Tuning, Prävention, Therapie. 3. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart.
[2] V Schmiedel (2019). Nährstofftherapie – Orthomolekulare Medizin in Prävention, Diagnostik und Therapie (4. Auflage). Stuttgart: Georg Thieme Verlag.
[3] Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health Claims)
[4] Miracon Science: Vitamin A. zuletzt abgerufen am 5.12.24 https://www.mikronaehrstoffcoach.com/de/at/mikronaehrstoffe/micronutrient.vitamin-a.html
[5] Eucell: beta-Carotin. zuletzt abgerufen am 5.12.24
https://www.eucell.de/ernaehrung/ernaehrungslexikon/sekundaere-pflanzenstoffe/carotinoide/beta-carotin#:~:text=Umwandlung im Körper von Beta-Carotin&text=Die Umwandlung (Konversion) von Beta,) wird auf 17 %25 geschätzt.),
[6] Orthomol: Vitamin. zuletzt abgerufen am 5.12.24
https://www.orthomol.com/de-de/ernaehrung/naehrstoffe/vitamin-a-lebensmittel
[7] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2021). Nationale Verzehrsstudie II: Wie sich Verbraucher in Deutschland ernähren. Zugriff am 5.12.24.
[8] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2020). Ausgewählte Fragen und Antworten zu Vitamin A. Zugriff am 5.12.24 https://www.dge.de/fileadmin/dok/gesunde-ernaehrung/faq/DGE-FAQ-Vitamin_A-2020.pdf
[9] E Hedrén, V Diaz, & U Svanberg (2002). Estimation of carotenoid accessibility from carrots determined by an in vitro digestion method. European Journal of Clinical Nutrition, 56 (5), 425–430.
[10] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2020). Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr – Vitamin A. Zugriff am 5.12.24 https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-a/
[11] EFSA (2015) Scientific Opinion on Dietary Reference Values for vitamin A https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2015.4028 abgerufen am 5.12.24
[12] M Clagett-Dame,D Knutson (2001). Vitamin A in reproduction and development. Nutrients. 3(4):385–428.
[13] JC Glover et al. (2006). Retinoic acid and hindbrain patterning. J Neurobiol. 66(7):705–725. doi: 10.1002/neu.20272.
[14] A See, M Clagett-Dame (2009). The temporal requirement for vitamin A in the developing eye: mechanism of action in optic fissure closure and new roles for the vitamin in regulation cell proliferation and adhesion in the embryonic retina. Dev Biol. 325:94–105.
doi: 10.1016/j.ydbio.2008.09.030.
[15] L Hoover et al. (2008). The expanding role for retinoid signaling in heart development.
Sci World J. 8:194–211. doi: 10.1100/tsw.2008.39.
[16] L Quadro et al. (2005). Pathways of vitamin A delivery to the embryo: insights from a new tunable model of embryonic vitamin A deficiency. Endocrinology. 146:4479–4490.
[17] W Checkley et al. (2010). Maternal vitamin A supplementation and lung function in offspring. N Engl J Med. 362(19):1784-94. doi: 10.1056/NEJMoa0907441.
[18] W Checkley et al. (2011). Supplementation with vitamin A early in life and subsequent risk of asthma. Eur Respir J. 38(6):1310-9. 10.1183/09031936.00006911.