Die Gruppe der B-Vitamine umfasst 8 verschiedene wasserlösliche Vitamine. Der Körper kann sie nicht speichern, sodass sie täglich zugeführt werden müssen. Sie sind insbesondere für die Gehirnfunktion und den Energiestoffwechsel essentiell. Nicht umsonst werden sie auch als “Nervenvitamine” bezeichnet und können bei hoher Stressbelastung und Erschöpfungszuständen positive Wirkung zeigen. Sie sind außerdem Cofaktoren bei der Synthese von Neurotransmittern und zahlreicher essentieller Enzyme. [1]
Wo wirken B-Vitamine?
Neben ihrer allgemeinen Wirkung im Gehirn- und Nervenstoffwechsel haben einzelne B-Vitamine darüber hinaus spezifische Funktionsgebiete. Vitamin B2 und B12 sind beispielsweise für einen normalen Eisenstoffwechsel notwendig. Vitamin B5 trägt zu einer normalen Synthese von Steroidhormonen und Vitamin D bei und Vitamin B6, B9 und B12 beeinflussen unser Immunsystem. Weitere Wirkbereiche sind der Homocysteinstoffwechsel, die Zellteilung und das Wachstum mütterlichen Gewebes in der Schwangerschaft, wo vor allem Vitamin B9 eine Rolle spielt.
Hier eine vollständige Übersicht der nachgewiesenen Wirkungen der B-Vitamine im Sinne der europäischen Health Claims Verordnung [2]:
- Vit B1, B2, B3, B5, B6, B7 und B12 tragen zum Erhalt einer normalen Nervenentwicklung und -funktion bei.
- Vit B3, B5, B6, B7, B9 und B12 tragen zur normalen psychischen Funktion bei.
- Vit B1 trägt zum normalen Stoffwechsel der Kohlenhydrate und der Energiegewinnung bei.
- Vit B6 trägt zu einem normalen Eiweiß- und Glykogenstoffwechsel bei.
- Vit B2, B3, B5, B6, B7 und B12 tragen zu einem normalen Energiestoffwechsel bei.
- Vit B2, B3 und B7 tragen zur Erhaltung normaler Haut bei und Schleimhäute bei.
- Vit B2 und B12 tragen zu einem normalen Eisenstoffwechsel und zur Erhaltung normaler roter Blutkörperchen bei. Vit. B6 und B9 tragen zur normalen Bildung roter Blutkörperchen bei.
- Vit B2 trägt zur Erhaltung normaler Sehkraft bei.
- Vit B2, B3, B5, B6, B9 und B12 tragen zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei.
- Vit B2 trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen.
- Vit B5 trägt zu einer normalen Synthese und zu einem normalen Stoffwechsel von Steroidhormonen, Vitamin D und einigen Neurotransmittern bei.
- Vit B6, B9 und B12 tragen zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei.
- Vit B6 trägt zur Regulierung der Hormontätigkeit bei.
- Vit B9 trägt zu einer normalen Aminosäuresynthese bei.
- Vit B6, B9 und B12 tragen zu einem normalen Homocystein-Stoffwechsel bei.
- Vit B9 und B12 haben eine Funktion bei der Zellteilung.
- Vit B9 trägt zum Wachstum des mütterlichen Gewebes während der Schwangerschaft bei.
Eine weitere Besonderheit der B-Vitamine ist zudem, dass sie eine im Vergleich zu den anderen Vitaminen große Kategorie bilden. Aufgrund ihrer stofflichen Ähnlichkeit und engen funktionellen Verwandtschaft wirken sie daher im Verbund am besten. Auch wenn nur ein B-Vitamin nicht ausreichend vorhanden ist, kann dies gesundheitliche Folgen haben. Einzelne B-Vitamine können daneben auch therapeutisch eingesetzt werden. [3, 4]
Warum ist die aktive Form bei B-Vitaminen wichtig?
Einige B-Vitamine haben eine aktive und eine nicht-aktive Form. Hierzu gehören Vitamin B2, B6, B9, und B12. Damit diese B-Vitamine ihre Funktion entfalten können, müssen sie in ihrer bioaktiven Form vorliegen. Diese kann der Körper dann ohne vorherige Umwandlung nutzen [5]:
- Vitamin B2: Riboflavin-5-Phosphat
- Vitamin B6: Pyridoxal-5-Phosphat
- Vitamin B9: 5-Methyltetrahydrofolat, kurz: Folat
- Vitamin B12: Methylcobalamin
B-Vitamine und Homocysteinämie
Homocystein entsteht im Aminosäurestoffwechsel, nämlich beim Abbau von Methionin. Normalerweise wird Homocystein zu Cystein abgebaut oder wieder zu Methionin remethyliert. Für diesen Prozess ist das Vorhandensein von B-Vitaminen zwingend notwendig. Besteht ein Mangel an B-Vitaminen, insbesondere B2, B6, B9 und B12, kann das Homocystein nicht abgebaut werden und staut sich an. [6]
Ein erhöhter Homocysteinspiegel geht mit gesundheitlichen Risiken einher, allen voran einem erhöhten kardiovaskulären Risiko. Daneben bestehen auch Assoziationen mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems: Neuralrohrdefekte bei Ungeborenen, beeinträchtigte Entwicklung in der Kindheit, Makuladegeneration, Schlaganfall und degenerative Erkrankungen im Alter (MS, Parkinson). Für die Auslösung dieser Erkrankungen kann ein zu hoher Homocysteinspiegel aufgrund eines B-Vitaminmangels ursächlich sein, daher ist dieser aus präventiver Sicht unbedingt zu vermeiden. [7] Bei der Behandlung eines hohen Homocysteinspiegels scheint die gezielte Gabe von B-Vitaminen wirksam zu sein. [3, 8]
Wie sind Bedarf und Versorgung?
Da unser Körper B-Vitamine nicht synthetisieren kann und diese noch dazu wasserlöslich sind, sind wir auf die tägliche Zufuhr angewiesen. Bei einer “ausgewogenen” Ernährung ist es relativ leicht, sich gut mit allen B-Vitaminen zu versorgen. Dennoch kann leicht ein Mangel entstehen, z.B. durch häufig einseitige Ernährung, die Einnahme bestimmter Medikamente, bei chronischen (psychiatrischen) Erkrankungen oder hoher psychischer Belastung. Am häufigsten ist eine Unterversorgung an Vitamin B12 zu beobachten. 5-10 % der Menschen in westlichen Industrienationen weisen einen Mangel auf, bei den über 60-jährigen sind es sogar bis zu 20 %. [9]
Wie merke ich einen Mangel?
Da B-Vitamine so vielseitig wirken, ist es schwer, spezifische Mangelsymptom zu benennen. Übergreifende Symptome eines Vitamin B-Mangels sind allerdings Erschöpfungssymptome und starke Müdigkeit, Abfall der Leistung und kognitiven Fähigkeiten, depressive Stimmungen, Magen-Darm Probleme, Ödembildung, Veränderungen der Haut, Atembeschwerden, Missempfindungen (Kribbeln), Geschwüre im Mund, Entzündungen der Schleimhäute (Mund, Nase, Magen, Darm), Blutarmut und Neuralrohrdefekt bei Ungeborenen. Ein Mangel kann zum einen durch eine einseitige oder sehr restriktive Ernährung ohne Supplementierung entstehen, aber auch durch die Einnahme bestimmter Medikamente (wie orale Kontrazeptiva, Metformin, Magensäureblocker, trizyklische Antidepressiva) oder durch das Vorliegen bestimmter (chronisch-entzündlicher) Erkrankungen wie chronische Darmerkrankungen, Hashimoto Thyreoiditis, Gastritis, Diabetes und rheumatoide Arthritis. Übermäßiger Alkoholkonsum kann durch die Leberschädigung ebenfalls einen Nährstoffmangel verursachen. [4, 9]
Zufuhr von B-Vitaminen über die Nahrung
B-Vitamine kommen in einer großen Bandbreite an Lebensmitteln vor. Eine Ausnahme bildet jedoch Vitamin B12, welches ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vorkommt. Daher ist dieses bei rein pflanzlicher Ernährung ein potentiell kritischer Nährstoff. Zwar enthalten auch spezielle Lebensmittel wie Hefe oder Sauerkraut geringe Mengen des Vitamins, jedoch sind diese nicht ausreichend für eine adäquate Versorgung. [10, 11]
Vitamin | Lebensmittel | Zufuhrempfehlung für Erwachsene [10] |
---|---|---|
B1 | Vollkornprodukte, Samen, Hülsenfrüchte, Muskelfleisch | 1,0 (w) – 1,2 (m) mg / Tag |
B2 | Innereien, Fisch, Milch und Milchprodukte | 1,1 (w) – 1,4 (m) mg / Tag |
B3 | Fisch, mageres Fleisch, Innereien, Brot, Erdnüsse, Pilze | 12 (w) – 15 (m) mg / Tag |
B5 | Fisch, Fleisch, Eier, Weichkäse, Erdnüsse, Vollkornprodukte, Pilze | 5 mg / Tag |
B6 | Vollkorngetreide, Hasel- und Walnüsse, rote Paprika, Sardinen, Makrelen, Schweinefleisch | 1,4 (w) – 1,6 (m) mg / Tag |
B7 | Innereien, Sojabohnen, erhitzte Eier, Nüsse, Haferflocken, Pilze, Milch und Milchprodukte | 40 µg / Tag |
B9 | grünes Blattgemüse, Tomaten, Hülsenfrüchte, Nüsse, Orangen, Sprossen, Vollkorn, Kartoffeln, Leber, Eier | 300 µg-Äquivalent / Tag (in der Schwangerschaft 550 µg-Äquivalent / Tag) |
B12 | Fisch, Fleisch, Meeresfrüchte, Eier, Milchprodukte | 4 µg / Tag |
Wie kann eine Labordiagnostik aussehen?
Die richtige Diagnostik ist bei den B-Vitaminen ist nicht ganz einfach. Sie können im Serum und Vollblut bestimmt werden, abhängig vom ausgewählten Vitamin und Labor. Hier muss individuell geschaut werden, was für welches Vitamin am meisten Sinn ergibt. Die Vollblutanalyse kann bei manchen B-Vitaminen genauere Ergebnisse liefern, andere sollten im Serum bestimmt werden. Es empfiehlt sich auch die Messung des Homocysteinspiegels als funktioneller Marker der B-Vitamine. [12]
Insbesondere bei der Untersuchung eines B12-Mangels sollte auch Homocystein gemessen werden. Außerdem sollten Aussehen, Form und Farbe der roten Blutkörperchen überprüft werden. Diese können schon leicht vergrößert sein, auch wenn die anderen Laborwerte noch im Normbereich liegen. Als relativ neue und sehr sensible Parameter für Vitamin B12 gelten das Holo-Transcobalamin (Blutserum) oder die Methylmalonsäure (Morgenurin). [4]
Versorgung über Supplementierung
Die Supplementierung von B-Vitaminen ist vergleichsweise leicht. Aufgrund der Wasserlöslichkeit kommen Überdosierungen eher selten vor. Bei Vitamin B3 kann es jedoch bei hohen Dosen zu Hautrötung (”Flush”) und Kribbeln kommen [4] und bei der Auswahl eines Präparats sollte ohne festgestellten Mangel auf extrem hoch dosierte Produkte, die die täglich empfohlene Zufuhr um das 100- oder 1.000-fache überschreiten, verzichtet werden. Überschüssige B-Vitamine werden zwar über den Urin ausgeschieden, jedoch bedeutet dies trotzdem eine unnötige Mehrbelastung für den Körper. Eine therapeutisch begleitete Hochdosistherapie ist dann noch einmal eine andere Sache. Unabhängig davon sollte darauf geachtet werden, dass die B-Vitamine wo immer möglich in ihrer aktiven Form vorliegen (z.B. Methylcobalamin statt Cyanocobalamin bei Vitamin B12).
Für eine gute Verträglichkeit sollten B-Vitamine möglichst nicht auf nüchternen Magen genommen werden. Aufgrund des Einflusses auf den Energiestoffwechsel bietet sich die Einnahme in der ersten Tageshälfte an, also zum Frühstück oder Mittagessen.
[1] M Hanna, E Jaqua, V Ngyuen. B- Vitamins: Functions and Uses in Medicine. Perm J 2022;26:21.204. https://doi.org/10.7812/TPP/21.204
[2] Health Claims Verordnung: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=CELEX%3A32012R0432 Zugriff am 2.7.2024
[3] AL Tardy, E Pouteau, D Marquez et al. Vitamins and Minerals for Energie, Fatigue and Cognition: a narrative review of the Biochemical and Clinical Evidence. Nutrients 2020, 12, 228; doi:10.3390/nu12010228
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7019700/pdf/nutrients-12-00228.pdf
[4] V Schmiedel (2019) Nährstofftherapie – Orthomolekulare Medizin in Prävention, Diagnostik und Therapie (4. Auflage). Stuttgart: Georg Thieme Verlag.
[5] Kennedy DO. B vitamins and the brain: mechanisms, dose and efficacy – a review. Nutrients 2015. DOI: 10.3390/nu8020068.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4772032/pdf/nutrients-08-00068.pdf
[6] IMD Labor Berlin. Homocysteinämie Prävention und Diagnostik. Fachinformation. abgerufen am 2.7.24
https://www.imd-berlin.de/fachinformationen/diagnostikinformationen/homocysteinaemie
[7] AD Smith, H Refsum. Homocysteine – from disease biomaker to disease prevention. Journal of Internal Medicine, 2021, 290; 826–854
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/joim.13279
[8] Z Wang, W Zhu, Y Xing et al. B vitamins and prevention of cognitive decline and incident dementia: a systematic review and meta analysis. Nutr Rev. 2022 Mar 10;80(4):931-949. doi: 10.1093/nutrit/nuab057 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34432056/
[9] gesund.bund.de Vitamin B-Mangel. abgerufen am 2.7.24 https://gesund.bund.de/vitamin-b-mangel
[10] DGE abgerufen am 3.7.24 https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/
[11] Revised reference values for the intake of thiamin (vitamin B1), riboflavin (vitamin B2), and niacin NFS Journal 2016; 3: 20-24
https://doi.org/10.1016/j.nfs.2016.02.003
[12] H Orfanos-Boeckel (2022) Nährstoff-Therapie – Orthomolekulare Medizin & Bioidentische Hormone: Mangel ausgleichen, Beschwerden lindern, Alterungsprozesse aufhalten (1. Auflage). Stuttgart: TRIAS Verlag in Georg Thieme Verlag.